EDIT: Inzwischen hat sich das ganze geklärt. Patreon übernimmt die VAT-Sache. :EDIT
Vorwort: Ich bin kein Rechtsanwalt. Ich bin kein Steuerfachmann. Meine Einschätzungen und “Erkenntnisse” beruhen auf meinen persönlichen Nachforschungen und ich übernehme keine Verantwortung für die Richtigkeit meiner hier beschriebenen Behauptungen. Jeder ist selbst dafür verantwortlich, sich zu informieren. Am besten fragt ihr einen Steuerberater eures Vertrauens.
Ei, was ist denn da passiert? Da will man großartigen – und wunderschönen* – Vorbildern wie Sarah Burrini folgen und ein Patreon-Projekt starten, dann kommt eine neue Regelung der EU, die es allen Selbstständigen im Internet wirklich schwer macht.
Die VAT (Oder auch VATMOSS) ist eine Regelung der EU, die seit Januar diesen Jahres dazu beitragen soll, dass große Unternehmen wie Amazon, Twitter und Co nicht so einfach in Steuerparadiese flüchten können. Digitale Verkäufe – NUR digitale Verkäufe – werden durch diese Regelung nach dem Steuersatz des Käuferlandes besteuert, nicht nach dem Land des Verkäufers. Verschickte Waren sind davon nicht betroffen… WEIL!!! … soll 2016 angeblich folgen.
An sich eine super Idee. Nur die Umsetzung macht Kopfschmerzen, denn jeder Verkäufer muss nun die Käuferinformationen – sprich, den zur Steuererfassung festgelegten Wohnsitz – sammeln und 10 Jahre speichern, wenn der Käufer aus einem anderem Land kommt als dem eigenen und das Land Mitglied der EU ist. Alles, was man also in digitaler Form zum Beispiel nach Frankreich oder Österreich verkauft, muss bei der “kleinen einzigen Anlaufstelle” (Gott, klingt das knuffig. das ist die Bezeichnung der Finanzstelle die das regelt) gemeldet werden. Man muss sich überhaupt vorher dort anmelden, wenn man vorhat, digital zu verkaufen, denn sonst muss man das in jedem EU-Land, in das man verkauft. Sollten die digitalen Käufer aus dem eigenen EU-Land kommen, oder aus einem “Drittland”, also NICHT-EU-Land, ändert sich nichts. Auch wenn das Portal im Internet, das man als Plattform nutzt, selbst als Verkäufer/Vertrieb auftritt, ändert sich nichts. Beispiele hierfür sind Amazon oder iTunes.
Nun, Patreon macht in seinen AGB schon klar, dass es NICHT so ein Plattformanbieter ist. Per EU-Gesetz ist es das auch nicht unbedingt (Auslegung und so…). Es kann aber gut sein, dass Patreon das noch ändern wird, und vielleicht das ganze Problem in Wohlgefallen zerbröselt.
Doch derzeit gilt: Patreon wickelt nur die Finanzen ab und nimmt dafür eine Gebühr. Der Verkäufer ist also der Künstler und damit muss dieser sich bei der “kleinen einzigen Anlaufstelle” melden und alle Käufer von benachbarten EU-Staaten speichern und angeben. Oder zumindest den Umsatz aus diesen Ländern, wenn ich das richtig verstanden habe. Allerdings liegt die Beweislast beim Künstler.
Wer bei Patreon auf Deutsch veröffentlicht, wird kaum Käufer aus nicht-deutschsprachigen Ländern haben, sondern primär aus DE, AUT und CH. Von diesen drei Ländern wiederum sind nur zwei VAT-pflichtig, da die Schweiz kein EU-Mitglied ist. Da Käufer aus dem eigenen Land nicht unter diese Regelung fallen, in meinem Falle also alle aus DE, müsste ich mich also NUR um AUT kümmern. Sobald ich aber auch nur einen deutschsprachigen Fan in einem anderen EU-Land habe, muss ich das melden. Selbst wenn es sich nur um wenige Cents handelt. Bei Anbietern wie mir ist das noch verkraftbar. Doch was machen Patreonnutzer, die auf Englisch verkaufen und Kunden auf der ganzen Welt und damit auch in der ganzen EU haben? Viele haben es vorgemacht: sie verlassen Patreon. Sie stellen ihre Verkäufe ein und müssen auf eine großartige Einnahmequelle für Künstler verzichten, da sie sämtliche Einnahmequellen aller EU-Kunden speichern müssten und für deren Richtigkeit garantieren müssen.
Ich bin mir sicher, dass die Finanzbeamten das nicht im Sinn hatten. Man wollte bestimmt nur die Großen erwischen, hat aber Angesichts der riesigen Steuereinnahmen durch Konzerne die kleinen Fische vergessen.
Aus den UK kommt bereits eine Petition bei Change.org, die versucht, diesen Fehler ändern zu lassen.
Wie wird es deutsche Künstler, die in deutscher Sprache veröffentlichen, nun genau erwischen? Ich kann nur von meiner kleinen Stellung aus spekulieren. Ich habe zwar sehr treue Leser, aber die Menge ist überschaubar. Meine Umsätze werden also gering ausfallen und meine Käufer werden zu 99% aus Deutschland kommen; vielleicht noch ein paar aus AUT, CH kann mir egal sein. Und für wenige Käufer aus noch weniger anderen EU-Ländern wäre der bürokratische Aufwand ertragbar, vor allem, da ich das ganze Zeug einfach nur an meinen Steuerberater weitergeben würde. Der soll sich darum kümmern. Dafür wird er bezahlt. Liebe Grüße an dieser Stelle an den besten Steuerberater der Welt, auch ein treuer Leser ;)
Die Frage, die man sich also stellen muss, wenn man eine Plattform wie Patreon nutzen möchte, ist also sicherlich die der Reichweite. Werdet ihr primär innerhalb Deutschlands verkaufen? Dann ist VATMOSS zwar immer noch ein Ärgernis, aber sicherlich kein Hindernis. Erst wenn ihr deutlich länderübergreifend, also vermutlich auf Englisch, veröffentlicht und verkauft, wird es (wahrscheinlich) problematischer und mit deutlichem Mehraufwand verbunden sein. Und wenn ihr könnt, fragt euren Steuerberater VORHER.
Egal, wie es nun ausfällt, und egal, wie man jetzt vorgeht: es wird anstrengender und etwas unübersichtlicher und teilweise unerfüllbar. Es ist ein weiterer Stein, der einem als Selbstständiger und/oder Künstler in den Weg gelegt wird, weil einige Menschen die Prinzipien des Internets mal wieder nicht verstanden haben. Die VAT-Idee ist in meinen Augen völlig in Ordnung. Nur die Umsetzung, tja…
Hier noch einige Links mit Infos:
http://rechtsanwalt-schwenke.de/e-commerce-faq-umsatzsteuer-elektronische-leistungen-2015#003
https://www.gov.uk/government/publications/vat-supplying-digital-services-to-private-consumers
http://www.rechnungswesen-portal.de/Fachinfo/Umsatzsteuer/Umsatzsteuer-in-der-EU-per-Mini-One-Stop-Shop-Fragen-und-Antworten.html
http://derstandard.at/2000008794163/Neue-EU-Mehrwertsteuer-Regelung-Massives-Erschwernis-fuer-IT-Startups?ref=rss
http://www.taxamo.com/new-eu-vat-rules-q-a/
Die EU-Selbst:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/taxation/vat/how_vat_works/telecom/one-stop-shop-guidelines_de.pdf
Die Petition aus UK:
https://www.change.org/p/vince-cable-mp-uphold-the-vat-exemption-threshold-for-businesses-supplying-digital-products
*Sarah, bekomme ich jetzt mein Geld? ;)