In einem Beitrag wurden jungen Mädchen 100 Tipps gegeben, wie sie einen Jungen auffallen. Das ist ja an sich erst mal nicht schlimm. Aber mal ehrlich. Die Bravo war schon immer die kleine, notgeile Schwester der BILD für Teenies, also kann da nicht das beste bei rumkommen. Die Bravo hat viel für die Aufklärung getan. Ich kenne den derzeitigen Stil nicht wirklich, habe aber in den letzten Tagen einen Eindruck bekommen.
In meinem Comic greife ich einige Begriffe daraus auf, und vermische sie mit anderen „Gesellschaftsnormen“ und etwas „50 Shades of Grey“ ;)
Bevor ihr weiter lest, vielleicht mögt ihr den Beitrag selber mal nachlesen. Ich habe ihn hier mal verlinkt, so das man ihn lesen kann, denn Bravo hat den Beitrag inzwischen entfernt und sich in einer Stellungnahme entschuldigt: Flirttipps für Mädchen
So, und hier meine nicht korrigierte Meinung dazu. Achtung, wird länger:
Schon vor 20 Jahren, als ich alterstechnisch die Zielgruppe war, hat die Bravo „Grenzen“ überschritten und sich an Tabuthemen getraut, die gerade für Pubertierende suuuuper wichtig sind. Ich kann mich da nicht ausklammern (Auch wenn ich die Bravo auch damals eher schlecht fand, um es nett zu sagen). Ich habe mir nie eine Bravo gekauft, aber man hat sie bei Freunden gelesen oder auf Klassenfahrten rumgereicht. Nacktbilder gucken, Leserbriefe über Penislängen und feuchte Vaginas lesen. Man hat viel gekichert und gelacht, und insgeheim was gelernt oder zumindest die innere Neugierde etwas befriedigen oder wecken können. Alles an sich absolut super. Ich bin ein Freund des offenen Umgangs mit Sexualität. Die aktuelle Bravo kommt mir wesentlich flacher und härter vor, aber das mag auch einfach daran liegen, dass ich „alt“ werde. Ich finde auch die intensive Nutzung von „Girls“ und „Typen“ für Jungen und Mädchen komisch, aber hey, wenn man so heute spricht, dann ist das halt so.
Einige der Tipps sind ja auch völlig in Ordnung. Als Teenie habe ich auch verdammt viel Hirnschmalz investiert um herauszufinden wie ich mein Traummädchen aus meiner Klasse beeindrucken kann. Ich habe auch meine „Wandlungen“ durchlebt, wie fast jeder von uns. Und wie fast jeder von uns war die Teeniezeit ganz ganz schrecklich, weil „hach, mein Schwarm liebt mich nicht, und keiner versteht mich…“ und ÜBERHAUPT. Unsicherheit ist ein großer Faktor in diesem Alter, und mit etwas Pech dominiert es uns ein Leben lang. Tipps, die helfen ein wenig mehr Selbstbewusstsein zu zeigen und sich selbst für sich selbst aufzuwerten sind wunderbar und wichtig. Aber leider sind es nicht solche Tipps.
Was mich an den 100 Tipps so sehr gestört hat, ist das extreme Verbiegen der Person und dessen Wesen. Jungs wie Mädchen bekommen so einen Dreck die ganze Zeit ab. Später als Erwachsene dann wieder und wieder. Nach dem man dann 99 Tipps gelesen hat, von denen die meisten bei vielen Mädchen gegen ihr Wohlbefinden arbeiten werden, kommt der schöne Spruch: Sei Du selbst.
Wenn man nicht schon bei einigen Tipps vorher die Krise bekommen hat, dann danach.
Wir erhalten mit so etwas ein System, dass uns zum Scheitern verurteilt. Wie soll ich selbst bleiben, wenn ich mich komplett verbiegen muss.
Viele der Tipps sind oberflächlich. Das ist erstmal auch nicht falsch. Wir Menschen sind oberflächlich. Das ist nichts böses. Wir sehen einen Menschen nun mal meistens erst bevor wir ihn kennen lernen. Wir wenden unsere Erfahrungen darauf an und stufen unser Gegenüber dann ein. Was wir daraus machen, und ob wir in der Lage sind das später abzuschütteln, und eine neue Sichtweise auf diese Person zuzulassen ist wichtig.
Die Tipps bestehen aus typischen „Mädchenstress“. Stress den die Gesellschaft von vielen Frauen, besonders „öffentlichen“ Frauen, erwartet. „Trage jeden Tag andere Kleidung, sonst bist du langweilig.“, „Schminke dich jeden Tag anders, sonst wirst du übersehen.“, „Rasier dich immer und überall, sonst wirkst du ungepflegt.“ Neben diesem ganzen Stress über das Äußere kommen dann noch Sachen dazu die sich ganz stark auf das Verhalten konzentrieren, und die sind in meinen Augen, teilweise aus dem vorletzten Jahrhundert, um es mal übertrieben zu sagen.
Die Mädchen, meist keine 16 Jahre alt, sollen hier süß, niedlich und Mädchenhaft sein, ABER auch reif, „sexy“ und „geheimnisvoll“. Sprich: „Fromm“, aber sexuell verfügbar. Und das finde ich mehr als nur fragwürdig. Sie sollen zwar selbstsicher sein, aber auf jeden Fall dem „Typen“ unterlegen.
Diese 100 Tipps tun nicht nur den Mädchen weh, die versuchen sich daran zu halten, sondern auch den Jungs die so etwas lesen und danach Mädchen interpretieren.
Müssen wir uns so etwas antun. Müssen wir uns gegenseitig immer so verbiegen und in etwas hineinzwängen? Sind wir so geil auf’s Scheitern? Leider ja, wenn man sich die Welt so ansieht.
Und ja, es gibt wichtigeres als einen Artikel in der Bravo. Aber auch Kleinvieh macht Mist :)