Photoshoppen

Immer mal wieder sehe ich Facebookposts oder Internetartikel die sich darüber auslassen wird, dass Photoshopen in den Medien einen extrem negativen Einfluss auf die Jugend – vor allem junge Mädchen – hat.

Im ersten Moment dachte ich mir: Was soll das Geschrei. Medienbilder – gerade für Werbung – waren immer “optimiert” und “perfektioniert”. Oder glaubt auch nur einer von euch das die gemalten Frauen auf den alten Plakaten für Parfum oder Spühlmaschinen anatomisch 100% korrekt waren?
Mein nächster Gedanke war: Wenn man so krass gegen die Optimierung von Gesichtern in der Werbung und den Medien ist sollte man auch ein wenig gegen MakeUp sein. Schließlich werden damit auch Poren verdeckt, Pickel retouchiert und Augen und Wangen mehr zum Ausdruck gebracht. – Das Photoshoppen IRL wenn man so will.
Durch mein Studium und meine Erfahrung als Kommunikationsdesigner ist Manipulation von Bildmaterial nichts besonderes für mich. Und ich den meisten Fällen finde ich es auch absolut nicht verwerflich.
Danach dachte ich mir: Warum regen sich alle bei Werbung und Plakaten so auf, sind aber bei Kinofilmen selbst absolut still. Das da jeder Pickel und jede Pore entfernt wird, kleine Zwerge auf Podeste gestellt werden damit sie bei Dialogen genau so groß sind wie ihr gegenüber etc stört da niemand. Bei Filmen als solches geht man davon aus das junge Menschen das filtern können. Da ist es Fiktion, bei Werbung nicht?
Mir ist schon klar, dass: … man das eine nicht unbedingt mit dem anderen Vergleichen sollte. Werbung erzählt nur selten Märchen oder Abenteuer (Also offiziell). Es geht um den Verkauf von realen Dingen die das reale Leben beeinflussen sollen. Vor allem sagt ein Film nicht: Kauf das hier damit du so aussiehst. Werbung schon. Werbung verkauft einem eine Creme und behauptet das die Haut dann so schön Porenfrei wird wie auf dem Bild oder in dem Spot in dem sie angeprisen wird. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Wichtig finde ich bei dieser Diskusion: … , dass man sich immer klar machen muss das die meisten Models und Schauspieler ihren Körper als “einziges” Kapital haben und diesen pflegen und hegen (um nicht maltretieren zu sagen ;) ) so wie andere von uns ihre Fähigkeiten trainieren müssen um up to date im Job zu sein. Was dem Sportler seine Ausdauer oder Kraft ist ist dem Model seine Siluette, seine Körperbeherrschung und Pose.
Zudem ist die mediale Bildung in diesem Land viel zu mikrig. Ich habe in der Grundschule mal eine Stunde gehabt in der wir über Werbung gelesen hatten. Das war aber mehr als kläglich. Eigentlich sollte man Gelder in Lehrer investieren die auf hohen Niveau die Kinder und Jugend im medialen Umgang unterrichten. Natürlich sollten die Eltern das auch, gar keine Frage, aber meist sind die Eltern noch schlimmer als die Kinder oder bereits weit abgehängt worden. Medial- und Digitalanalphabetismus wird ein großes Problem in diesem Land werden, befürchte ich.
Und dann ist mir noch aufgefallen, dass … in meinen Augen dieses teilweise schon krankhaft starke Photoshoppen ein klares Zeichen von Unfähigkeit seitens des Fotografen samt Crew und des Models ist. Wenn man sich einige alte und neue PinUp-Fotografien oder burlesque Erotikfotografie ansieht die nicht bis kaum bearbeitet wurden, bemerkt man wieviel man durch die Richtige Haltung, Kamerawinkel und Belichtung bewirken kann.
Neulich hatte jemand bei Facebook folgende Fotoreihe geteilt die in meinen Augen sehr gut Zeigt was man nur durch Körperhaltung alles bewirken kann.

Die Macht der Körperhaltung

Und am Ende muss ich sagen: … Ja, es ist absolut nicht in Ordnung das Körper komplett verformt werden um einem modischen “Optimum” zu entsprechen. Fehler und nicht “perfektes” wird (und wurde) so gut wie nicht aktzeptiert. “Mängel” und “Schwachstellen” werden einem ins Gesicht gedrückt und als ekelhaft, abstoßend oder gar verwerflich vorgeworfen. “Niemand liebt dich wenn du so oder so aussiehst” ist das Credo. Gefühlt verstärkt sich diese Einstellung, aber ich bin erst 30 Jahre alt und kann nicht sagen wie es genau für Jugendliche vor meiner Zeit war. Es ist immer leicht zu sagen “früher war alles besser” aber wenn ich mir ansehe wie Junge Frauen und Männer früher auf den Bildern dargestellt wurden und diese mit Filmen und Fotos der Zeit vergleiche muss ich sagen das so gut wie kein Mensch diesen Bildern entsprach. Ich glaube daher das sich im Endeffekt nicht viel geändert hat. Das Problem ist das die Mittel die wir haben heute viel effizienter sind und leichter eingesetzt werden können.
Eine Southparkfolge der derzeit aktuellen Staffel geht das Thema auch sehr gut an:

Southpark – The Hobbit

Folgendes muss ich aber noch sagen: Ich habe für viele Freunde und Bekannte, für Kollegen und auch für mich selbst Bewerbungsfotos und Hochzeitfotos manipulliert. Ich habe Fältchen geglättet, Pickel vertuscht, speckigen Glanz abgemattet und Augen wie Zähne mehr strahlen lassen. Fusselige Haare gerichtet und Schrammen entfernt. Farben optimiert und durch Schattenwurf den Hals geschmälert. Ich versuche bei solchen Maipulationen niemals Dinge wegzuretouchieren die zum Menschen gehören. Narben oder Muttermale müssen immer bleiben. Ich bearbeite verhältnismäßig wenig, und dennoch ist meine Liste hier echt lang. Ich bin nicht gegen das Maipulieren als solches, genauso wie ich NICHT gegen MakeUp bin. Ich bin auch nicht gegen die leichte Maipulation der Körperformen, wenn gleich ich zustimme dass das eines der Hauptprobleme ist und teilweise bescheuerte und lächerliche Ausmaße annimmt. (Busen vergrößern oder schlechte Körperhaltung eines Stars “korrigieren”)
Die Medien haben einen mehr als starken Einfluss auf unsere Gesellschaft und mehr als einmal hat und wird sich die Medienindustrie in “self fulfilling prophecies” geflüchtet.
Denn es ist ein Fakt das Produkte von absolut natürlichen Menschen (und damit meine ich verport, verpickelt und speckig) nicht so gut gekauft werden. Wir Menschen sind optische Wesen. Wir sind alle Oberflächlich, zumindest in den ersten instinktiven und unbedachten Sekunden einer Begegnung. Und oft fallen uns kleine Unebenheiten im realen Leben an Menschen nicht so stark auf. Warum? Weil wir in Bewegung sind und nur selten 10cm vom Gesicht eines Mitmenschen abhängen und Poren zählen. Auf Fotos oder großen Plakaten ist das anders. Und wenn man Fotografiert sieht so wie so alles anders aus. Dieses Medium hat seine eigenen Regeln, so wie Theatermakeup nicht das selbe ist wie Filmmakeup. Ein Foto bleibt starr und bietet die Möglichkeit sehr genau hinzusehen. In nur wenigen Sekunden fallen einem Dinge auf die einem bei einem Menschen im realen Leben niemals auffallen würden wenn man ihn genau so lange ansehen würde.
Wie bei so vielem sehe ich die Lösung in uns selbst:
Unterstützt Produkte und Medien mit eher natürlicheren Menschen. Lebt eure Überzeugungen, und lebt diese vor allem euren Kindern vor. Und ja, meckert gut und gerne über angebliche “Plus-Size” Models von H&M die nur deswegen “Plus-Size” sind weil sie nicht abgehungert ausschauen. (Allgemein habe ich ein Problem mit H&M aber das ist ein anderes Thema) Verurteilt schöne und schlanke Menschen nicht, verurteilt Dicke und unperfekte Menschen nicht nachdem ihr sie gesehen habt sofort. Kämpft gegen diesen Instinkt des Schubladendenkens an und schaut was ihr daraus machen könnt. Das klappt nicht immer, vielleicht sogar nur selten, aber es ist einen Versuch wert.
Sucht eine Stelle an eurem Körper die ihr nicht mögt. Schaut sie euch lange an und versucht etwas spannendes daran zu entdecken. Stellen die man nicht für perfekt oder störend hält muss man nicht gezwungen schön finden. Aber es ist zum Beipsiel nicht so schwer aus “Hässlich” das Wort Spannend und Interessant zu machen. So blöde das jetzt klingt. Man muss natürlich es auch so meinen. Wenn man die Worte nur ersetzt ist das natürlich sinnfrei.

Und zum Schluss, als Erheiterung, noch ein Bild von mir, vor und nach Photoshop:

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